Julia Haugender – Arnold Reinthaler
Ausstellungsbeginn:
Fr, 26.2.2021, 16 – 19 Uhr
zur Ausstellung informiert Andreas Hoffer, Kurator AIR – ARTIST IN RESIDENCE Niederösterreich
Ausstellungsdauer:
27.2.2021 – 18.4.2021
Seit vielen Jahren kooperiert der Kunstverein Baden mit AIR – ARTIST IN RESIDENCE Niederösterreich: Einmal im Jahr spannt der Kunstverein zwei Künstler/innen zusammen, die sich sonst wohl nie kennengelernt hätten, wie im letzten Jahr die aus Südtirol stammende, in Wien lebende Künstlerin Sissa Michele und Raffael Mayu Nolte aus Peru. Dadurch können spannungsreiche Dialoge entstehen, oder die beiden künstlerischen Positionen treffen einfach an einem Ausstellungsort aufeinander. Für das AIR Programm bietet diese Form der Zusammenarbeit eine gute Möglichkeit, um den Residencies das Kennenlernen von heimischen Künstler/innen und Institutionen zu ermöglichen.
In diesem Jahr ist Corona bedingt vieles anders. Zum Bangen, ob überhaupt aufgesperrt werden kann, geschweige denn eine wie auch immer geartete Eröffnung stattfinden kann, kam noch die Sorge, ob die ausländischen AIR – Gäste überhaupt einreisen können. Arnold Reinthaler stand für diese Ausstellung schon länger fest und wäre ursprünglich auf die deutsche Fotografin Gabriele Engelhardt getroffen, die aber im Jänner umständehalber absagen musste. So haben wir zum ersten Mal für unsere Kooperation keinen Gast aus dem Ausland, sondern eine Künstlerin aus Österreich eingeladen, die schon im Austausch als AIR – Künstlerin in Westport, Irland war. Julia Haugeneder war so freundlich so kurzfristig einzuspringen, dafür gilt unser aller Dank!
Julia Haugeneder kommt ursprünglich von der Grafik, hat sich intensiv mit dem Linolschnitt und innovativen Bearbeitungsformen dieses Materials auseinandergesetzt. Von dort aus kam sie zum Buchbinderleim als Ausgangsmaterial, den sie mit Farbe und Gips vermischt. Fragil und fest zugleich, entstehen Objekte, die sie dehnt, formt, faltet. So entstehen gerollte, gefaltete Objekte, die im Raum hängen, liegen und stehen. In ihrer leichten Präsenz der Faltungen erinnern die Objekte an Stoffballen oder asiatische Sushi Kreationen. Das so noch nicht verwendet gesehene Material Buchbinderleim, befragt sie immer neu, schöpft die Möglichkeiten aus und erweitert sie ständig. Haugeneder denkt seriell, arbeitet mit ihren Objekten im Raum, um Bezüge entstehen zu lassen, fordert so die Betrachter/innen auf in Beziehungen zu denken. Das ursprünglich flüssige, dadurch auch flüchtige Ausgangsmaterial wird in Zeitlichkeit gebunden und in Form fixiert, überraschend und anregend zugleich.
Der Bildhauer Arnold Reinthaler arbeitet mit klassischen bildhauerischen Materialien wie Marmor und Granit. Material für die Ewigkeit, nicht umsonst für Grabsteine und Denkmäler verwendet. Er graviert und meißelt in den Stein aber nicht das für immer fixierte, sondern Möglichkeitsbildungen, Fixierungen von Zeit, Gedanken zu „was wäre wenn“, das was noch nicht Realität, sondern mögliche zukünftige Realität sein könnte, etwas sehr fragiles also. Auch Reinthaler arbeitet seriell. Zeit und ihre Abläufe sind Material für seine Untersuchungen. So entsteht zum Beispiel eine Bibliothek aus Büchern, die ganz akribisch seine eigene Lebenszeit durch die Auflistung aller Tätigkeiten manifestiert. Dieser tägliche Vorgang des Aufschreibens des Gelebten, Getanen, erinnert in seiner Stringenz des täglichen Fixierens von Zeit an einen vom ihm geschätzten Künstler, an On Kawara. Reinthaler umkreist die Möglichkeiten Zeit zu erleben und fassbar zu machen, oder eben nicht fassbar zu machen, in immer neuen Serien.
Spannend ist dabei auch, dass Arnold Reinthaler als Bildhauer mit seinen Materialien wie Stein eher in der Fläche, im Bildcharakter bleibt, während Julia Haugeneder, die von der Fläche der Grafik kommt mit ihren Objekten in den Raum geht. So werden zwei Künstler/innen im Raum des Kunstvereins Baden in einen fruchtbaren Dialog treten, die die Möglichkeiten von Material, Raum und Zeit in ganz unterschiedlichen künstlerischen Übersetzungen und Handlungen thematisieren.